Evangelisches Dekanat Vogelsberg

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          Tagesandacht in diesen Zeiten

          Die Kraft der Stille

          Gut gefüllte Kirchenbänke, Orgelmusik, manchmal auch Trompeten und Posaunen, Chöre singen. Ich sitze mittendrin, höre die Predigten, singe die alten, manchmal auch die neuen Kirchenlieder und bete mit Anderen. Nach dem Gottesdienst plaudern wir noch zusammen, trinken vielleicht eine Tasse Kaffee oder Tee.

          8 Wochen später: Anruf im Gemeindezentrum: „…ich würde mir gerne einen Platz für den kommenden Gottesdienst am Sonntag reservieren lassen“. „Ja gerne, wir haben noch einige Plätze frei. Welchen Platz möchten sie den gerne?“  „Siebte Bank, hinten links“, „Haben wir notiert, bitte sagen sie uns noch ihre Adresse mit Telefonnummer, bringen sie ihr eigenes Gesangbuch und einen Mundschutz mit und denken sie daran, lautes singen ist verboten.“

          Soll Gott uns nicht erkennen, wenn wir zum Gottesdienst gehen? In der Bibel steht aber doch, dass er uns alle kennt! Oder sollen wir mit Gott jetzt über das Telefon kommunizieren? Schreibt er mich an, weil er meine Adresse wissen will? Wie soll das gehen?

          Ortswechsel: Ich sitze in unserer kleinen Kirche, habe mir ein dickes Sitzkissen mitgenommen und mich auf einen Stuhl gesetzt. Keine Musik, keine Predigt, keinen Abschlusssegen. Kein Plausch, keinen Kaffee danach. Stille. Nur Stille. Aber keine gespenstige Stille. Angenehme Stille.

          Ich erinnere mich und entdecke die Stimme Gottes in einem Spirituellen Impuls von Sören Kierkegaard:

          Als mein Gebet immer andächtiger und innerlicher wurde,
          da hatte ich immer weniger zu sagen.
          Zuletzt wurde ich ganz still.

          Ich wurde, was womöglich noch ein größerer Gegensatz zum Reden ist,
          ich wurde ein Hörender.

          Ich meinte erst, Beten sei Reden.
          Ich lernte aber, dass Beten nicht bloß Schweigen ist, sondern Hören.

          So ist es:
          Beten heißt nicht, sich selbst reden hören.
          Beten heißt:
          still werden und still sein und warten,
          bis der Betende Gott hört.

          Liebe Leserinnen und Leser, es gibt ein berühmtes Jesus-Logion, das lautet: „Wenn du beten willst, geh in deine Kammer.“ Das heißt, gerade in diesen Krisenzeiten gibt es meines Erachtens nach sehr, sehr gute Möglichkeiten, Gottesdienst zu feiern: Das kann nachbarschaftliche Hilfe sein, das stille Gebet sein. Und es werden auch Zeiten kommen, wo wieder anders Gottesdienst gefeiert werden kann.

          Ich kann sehr wohl all die verstehen, für die in dieser Krise eine sehr schwierige Zeit angebrochen ist. Namentlich möchte ich diese Menschen gar nicht benennen. Wir sehen sie täglich in den Nachrichten. Jetzt an Stille an Ruhe und Frieden zu denken ist für die meisten von uns in dieser Krise eine Farce. Aber gerade jetzt sollten Sie wissen, dass es sehr viele Menschen gibt, die in der Fürbitte bei denen sind, die es in dieser Krise besonders hart trifft.

          Kürzlich vernahm ich den Satz: „In der Krise erkennt man den wahren Charakter“. Ja, jetzt denken viele an die „Toilettenpapierhamsterkäufer“ oder an die Aktionäre, die nicht auf ihre Dividenden verzichten möchten. Nein ich denke an die Menschen die sich einbringen, die helfen, die versorgen, die einfach da sind. Eine noch nie dagewesene Hilfsbereitschaft hat unser Land überdeckt. Und, was mir besonders auffällt, darunter sind Menschen, die ich noch nie in unseren Kirchen gesehen habe.

          An diese Stelle erkenne ich die Bibelstelle in Johannes 3,89: „Der Wind weht, wo er will“ Der Geist Gottes wirkt überall. Er kann jeden benutzen, um die Absichten Gottes zu verwirklichen. Und das sind nicht nur die, die am Sonntag zur Kirche gehen. Es sind alle die die in der Stille zu unserem Gott beten, die ihn Anerkennen als unseren Herrn und Schöpfer. Und davon, da bin ich mir gewiss, gibt es sehr viele Menschen.

          Vielleicht ist jetzt eine Zeit zum Umdenken gekommen. Auch für unsere Kirchen.

          Ein „weiter so…“ wird es hoffentlich nicht mehr geben. Vielleicht bewirkt ja gerade jetzt ein langsamer Rückbau, dass wieder etwas „Lebendiges“ darunter hervorkommt? Gott ist dabei still. Die Stille ist Gottes Muttersprache. Auf die Anwesenheit Gottes muss der Mensch nicht immer mit Reden reagieren. Ein einfaches stilles Gebet, eine Fürbitte, ein Dank, auch an unsere Politiker, ohne große Sprüche, dass wäre gut.

          Lasst uns in der Stille beten, dass Gott uns in dieser schweren Zeit Kraft und Zuversicht schenkt, dann können wir bald auch wieder unserem Gott mit Posaunen und Trompeten (natürlich auch mit lautem Singen) danksagen. Und vielleicht kann diese Pandemie eine ganze Gesellschaft umwandeln und ihr wieder andere Werte nahebringen.

          Schließen möchte ich mit einem Gebet von Romano Guardini:

          Immerfort empfange ich mich aus deiner Hand.
          Das ist meine Wahrheit und meine Freude.
          Immerfort blickt mich dein Auge an,
          und ich lebe aus deinem Blick,
          du mein Schöpfer und mein Heil.
          Lehre mich, in der Stille deiner Gegenwart
          das Geheimnis zu verstehen, dass ich bin.
          Und dass ich durch dich und vor dir und für dich bin.

          Amen

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