Evangelisches Dekanat Vogelsberg

Angebote und Themen

Herzlich Willkommen! Entdecken Sie, welche Angebote des Dekanats Vogelsberg zu Ihnen passen. Wir sind jederzeit offen für Ihre Anregungen. Nehmen Sie gerne mit uns Kontakt auf.

          AngeboteÜbersicht
          Menümobile menu

          Tagesandacht in diesen Zeiten

          Kostbar und verletzlich

          Liebe Leserinnen und Leser, Meine Frau und ich hatten in den letzten Wochen Urlaub. Ein Urlaub, der ursprünglich ganz anders geplant war, auf der schönen Insel Föhr an der Nordsee wollten wir ihn verbringen. Das war aufgrund der Umstände natürlich nicht möglich.

          Ein Opfer war das nicht für uns. Es wäre Jammern auf höchstem Niveau, wenn man das beklagen wollte. So haben wir einfach Urlaub zuhause gemacht. Und wir haben dabei sozusagen eine neue „Insel“ entdeckt, gleich hier vor unserer Haustür. In der Wetzelbach rund um den Alsfelder Segelflugplatz haben wir unsere kleine Urlaubsinsel entdeckt. Ein wahres Refugium in der freien Natur. Täglich haben wir dort unsere Runden gedreht, durch die in der Sonne erstrahlenden Rapsfelder und Wiesen, durch die Äcker mit der zusehends wachsenden Frucht. Und an den Tagen rund um Himmelfahrt konnten wir die bunten Gleitschirme bewundern, die unter dem wolkenfreien blauen Himmel ihre Bahnen zogen.

          In den ersten Tagen des Urlaubs sprachen wir unterwegs noch sehr viel über die neuesten Nachrichten und Zahlen zur Corona-Pandemie, über die schlimmen Nachrichten und Bilder, die ständige Beunruhigung, die große Ungewissheit, ja auch die Angst. Wie vermutlich die meisten von Ihnen hielt uns das in Atem. Doch im Laufe der Zeit, von Tag zu Tag ein wenig mehr, trat das in den Hintergrund. Zuletzt liefen wir unsre Wege immer stiller, eingetaucht in die uns umgebende Natur, sprachlos staunend und mit einem beredten Schweigen. Wortlos glücklich wuchs eine immer noch größer werdende Dankbarkeit in uns. Die Worte und die Melodie eines unserer Gesangbuchlieder fielen mir ein: „Gott gab uns Atem, damit wir leben. Er gab uns Augen, dass wir uns sehn. Gott hat uns diese Erde gegeben, dass wir auf ihr die Zeit bestehn.“

          In der hebräischen Sprache des Alten Testaments bedeutet das Wort „ruach“ zugleich „Atem“, „Geist“ und „Wind“. In jedem Atemzug, den wir tun und in jedem Windhauch, der uns umweht, auch in den tobenden Stürmen unseres Lebens, steckt die ganze Kraft des Lebens, und diese Kraft des Lebens nennt die Bibel den Geist Gottes. Das bleibt wahr, in allem, was geschieht, auch in der unsichtbaren Bedrohung der weltweiten Virus-Pandemie. Diese Bedrohung macht uns neu bewusst, wie verletzlich das Leben ist, aber auch wie wunderbar. Steckt nicht auch hinter den vielen harten Reaktionen und den manchmal abstrusen Parolen in dieser Corona-Zeit letztlich nur die große Verletzlichkeit des Lebens, die wir spüren und mit der wir irgendwie zurechtkommen müssen? Nur das wirklich Kostbare ist auch verletzlich und umgekehrt: Nur, was verletzlich ist, ist auch kostbar.

          In den biblischen Worten der Weisheit Salomo kommt ein Mensch zu der Einsicht: Auch ich habe, als ich geboren war, Atem geholt aus der Luft, die allen gemeinsam ist, und ich bin gestellt auf die Erde, die alle in gleicher Weise trägt.

          Wir sind Menschen, Menschen unter Menschen. Wo wir zu dieser Einsicht kommen, da geschieht das Pfingstwunder, die wachsende Verständigung unter den Menschen, auch wenn sie ganz verschiedene Sprachen sprechen und ganz verschiedene Leben leben. Der Andere, der Mensch neben mir, er ist wie ein Spiegel meiner eigenen Seele, ob er ein König ist oder ein Bettler, ob er mir sympathisch ist oder nicht.

          „Gott gab uns Ohren, damit wir hören. Er gab uns Worte, dass wir verstehn. Gott will nicht diese Erde zerstören. Er schuf sie gut, er schuf sie schön“, so geht das schöne Gesangbuchlied weiter.

          Diese Erde ist so gut, so schön. Und die tiefe Kraft des Lebens steckt auch noch in all dem, was uns Menschen zu schaffen macht und was uns bedroht, in tobenden Stürmen und Unwettern, in Überschwemmungen und Erdbeben und in unsichtbaren Viren. Nur das Kostbare ist auch verletzlich und nur, was verletzlich ist, ist auch kostbar. Wie kostbar ist das Leben, unser kleines Leben und das Leben dieser Welt.

          Pfarrer Peter Remy, Alsfeld

           

          Diese Seite:Download PDFDrucken

          to top