Evangelisches Dekanat Vogelsberg

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          Indien in der Corona-Krise - Rolle der Kirchen

          Corona-Update: 2.045.075 Infizierte und 41.800 Tote

          Die ersten Corona-Fälle gab es in Indien bereits Ende Januar 2020. Die Zentralregierung und die einzelnen Bundesstaaten haben strikte Maßnahmen ergriffen die Pandemie einzudämmen. Am 24. März 2020 hat Indien eine Ausgangssperre für das ganze Land erlassen. Die Weltgesundheitsorganisation lobte Indien für seine harten klaren und rechtzeitigen Bemühungen, die Ausbreitung des Coronavirus zu kontrollieren. Diese Maßnahmen haben aber die erwarteten Ergebnisse nicht gebracht.

          Die Regierung steht nun unter dem Dilemma zwischen einem langfristigen Lockdown mit großer Not für alle Menschen oder einem gelockerten Lockdown mit steigenden Opferzahlen. In den Hotspots wie Delhi und Mumbai gibt es keine freien Krankenhausbetten mehr. Ende Juli hörte man von einer stark ansteigenden Zahl von Infizierten und Toten. Stand am 07. August 2020: Fälle bislang: 2 045 075, Todesfälle: 41 800

          Die Maßnahmen wie Ausgangssperren und Abstandhalten sind in Indien nicht leicht umsetzbar. Viele Menschen wohnen auf engem Raum zusammen, z. B. in den Slums oder in den Großfamilien. Soziale Kontakte sind stärker ausgeprägt als in Europa. Für die einfachen und armen Menschen ist es zudem nicht möglich, die Hygienevorschriften einzuhalten, da sie kein sauberes Wasser, Seife und Desinfektionsmittel haben. Indien besitzt keine großen Kapazitäten im Bereich des Gesundheitssystems, um eine Epidemie zu bekämpfen und einzudämmen. Die Pandemie stellt sich als eine Mammutaufgabe für das Land mit so vielen Menschen dar.

          Man hört viel von Zahlen und Statistiken. Wenige aber haben die Realität der etwa 300-400 Millionen Menschen im Blick, die in informellen Sektoren arbeiten. Die Regierung hatte die Konsequenzen eines Lockdowns für die Millionen von Wanderarbeitern, Tagelöhnern und Straßenhändlern nicht bedacht. Die ohnehin prekäre Lage dieser Menschen wurde weiter durch das Virus und den notwendigen Lockdown verschärft. Viele Menschen, die unter Brücken oder am Straßenrand und an Bahnhöfen übernachteten, waren auf einmal obdachlos. Mehrere Millionen Tagelöhner, Arbeitsmigranten ohne Tarifverträge und die Straßenhändler haben ihren Job und ihr Einkommen verloren. Millionen von Wanderarbeitern waren gestrandet und wussten nicht, wie und wann sie nach Hause fahren  oder wann sie ihre Arbeit wieder aufnehmen konnten. Schätzungsweise waren 20-30 Millionen Menschen, vor allem Wanderarbeiter, unterwegs aus den Großstädten zu ihren Dörfern. Die Medien bezeichneten diese als „die Karawane des Elends“. Millionen legten tausende von Kilometern zu Fuß zurück, weil der öffentliche Verkehr eingestellt war. Viele mussten tagelang hungern. Schätzungen zur Folge haben über 300 Wanderarbeiter*innen ihr Leben unterwegs verloren durch Hunger, Selbstmorde, Erschöpfung, Verkehrs- und Schienenunfälle, Polizeibrutalität und Verweigerung der rechtzeitigen medizinischen Versorgung. Möglicherweise haben die Rückkehrer aus den Großstädten und aus Übersee zur weiteren Verbreitung des Virus beigetragen. [1] Zyklon „Amphan“ und die riesigen Heuschreckenschwärme hatten darüber hinaus zur Verschlimmerung der humanitären Situation geführt. Es gab Lieferengpässe und daher auch steigende Preise für Grundnahrungsmittel.

          Bei den Ausgangssperren müssen die einfachen Menschen unter polizeilicher Schikane leiden. Es wurde berichtet, dass die Lieferung wichtiger Güter durch die Polizei verhindert wurde. Die Indische Regierung und die Regierungen der Bundesstaaten haben Hilfsmaßnahmen angeboten, wie kostenlose Nahrungsmittelausgaben, Arbeitslosenhilfe etc. Viele NGOs beklagen, dass Dalits, Adivasis und andere Marginalisierte nicht ausreichend berücksichtigt worden sind. Aus parteipolitischer Taktik kommen manchmal die Hilfsangebote der Regierungen bei den Zielgruppen nicht an.

          · In der Corona-Krise wird die Kluft zwischen Arm und Reich in Indien deutlicher. Die Reichen bekommen sofort einen Krankenhaustermin. Andere müssen stundenlang warten oder erhalten gar keine Hilfe.

          · Auch in der Pandemie sind interreligiöse Konflikte sichtbar. Die Ausbreitung der Coronafälle wird mit einer religiösen Massenveranstaltung der Muslime in Verbindung gebracht. Anfang März 2020 fand eine internationale Veranstaltung der muslimischen Missionsbewegung Tablighi Jamaat in Delhi statt. Später waren dutzende Teilnehmer der Veranstaltung an Covid-19 erkrankt. Viele Teilnehmer aus dem Ausland kamen mit einem Touristenvisum, was ein Verstoß gegen die Einreisebestimmungen war. Das Ereignis hat die anti-muslimischen Ressentiments in der indischen Bevölkerung verstärkt. [2] Es wurde von einem Fall berichtet, in dem eine muslimische Patientin von Ärzten abgewiesen wurde. [3] Im Bundesstaat Telangana haben die Aktivisten der hindu-nationalistischen Organisation Rashtriya Swayamsevak Sangh Kontrollpunkte während der Ausgangssperren besetzt, obwohl sie dazu nicht befugt waren. [4]

          · Eine Nebenwirkung der Corona-Krise ist die Änderung der beruflichen Perspektiven für Frauen. Viele Frauen werden in ihre traditionelle Pflege- und Fürsorgerolle zurückgezwungen, auch wenn sie hochqualifiziert sind. Da es nun kaum Haushaltshilfen gibt, müssen sie auch diese Arbeit zusätzlich machen. [5]

          · Während der Corona-Krise werden Menschen aus dem Nordosten diskriminiert, da sie "chinesisch" aussehen. So hatten Menschen aus dem Nordosten Probleme, Lebensmittel einzukaufen. Wegen ihres Aussehens wurden einige zwangsweise in Quarantäne geschickt. Diskriminierungen wurde verstärkt durch den Grenzkonflikt zwischen China und Indien.

          · Schulische Bildungsarbeit wird erheblich durch die Corona-Krise beeinträchtigt. Da Schulkinder aus armen Familien an den Online-Unterrichtsangeboten nicht teilnehmen können werden sie große Lerndefizite haben. Darüber hinaus werden viele armen Familien ihre Kinder für zusätzliche Verdienste einsetzen.

          Rolle der Kirchen [6]

          Die Kirchen in Indien haben dazu aufgerufen, den Regierungsmaßnahmen Folge zu leisten. Sie haben über 1000 Krankenhäuser und 60000 Krankenhausbetten für die Covid-19-Infizierten zur Verfügung gestellt. [7] Kirchliche Einrichtungen sind beteiligt bei der Identifizierung von Erkrankten und bei der Überwachung der Ansteckung. Die Kirchen sehen sich in der Verantwortung, solidarisch zu handeln. Der NCCI hat aufgerufen Menschen in Not zu helfen und die Räumlichkeiten der Kirchen für Bedürftige zu öffnen und kleine Händler zu unterstützen. Der NCCI hat durch Webinare verschiedene Bildungsangebote im Kontext von Covid 19 angeboten. Die Kirchen in Indien wollen vermeiden, dass Menschen an Hunger sterben. Die kirchlichen Hilfen, auch mit Unterstützung der ausländischen Partner, gelten den Bedürftigen unabhängig von der Religionszugehörigkeit. So wurden z. B. Grundnahrungsmittelpakete an Bedürftige verteilt, Gemeinschaftsküchen errichtet und medizinische Hilfen angeboten. Manche haben sich insbesondere um die gestrandeten Wanderarbeiter*innen gekümmert. [8]

          Ein Schwerpunkt ist neben der Aufklärung der Menschen, die Unterstützung bei der Beantragung von Hilfsangeboten von Seiten der Regierung. Um die Ausbeutung der im Prekariat lebenden Menschen zu vermeiden, raten die Kirchen davon ab, Darlehen bei Großgrundbesitzern aufzunehmen.

          Die Corona-Krise hat die Kirchen als Organisationen hart getroffen. Da die Kirchen in Indien kein Kirchensteuersystem haben, brach mit den fehlenden Einnahmen aus Kollekten, Beiträgen der Gemeindemitglieder und aus den kirchlichen Schulen die finanzielle Basis  zusammen. Die Kirchen haben Schwierigkeiten, ihre Pfarrer*innen, Lehrkräfte und Angestellte zu bezahlen.

          Die Situation unter dem Lockdown eröffnete aber auch neue Möglichkeiten des kirchlichen Lebens. „Wir haben die Kirche nach außen gebracht, in die Familien, in die Gesellschaft“, sagte Bischof Pradeep Kumar Samantaroy von der Diözese Amritsar(CNI). Fast täglich gab es Online-Gottesdienste und geistliche Impulse, die über social media übertragen wurden. Spezielle Online-Gottesdienste mit Prediger*innen aus dem In- und Ausland wurden angeboten. Verstärkt fanden Hausandachten statt. Bischof Dr. George Cornelious aus der Diözese Krishna Godavari (CSI) schreibt: „die gute Nachricht ist, dass jedes christliche Haus eine Kirche geworden ist“.

          [1] Vgl. https://www.tagesschau.de/ausland/indien-corona-infizierte-101.html , https://www.br.de/radio/bayern2/corona-sorgt-in-indien-fuer-elend-100.html; https://www.counterview.net/2020/06/ngo-support-to-quell-hunger-433-vs-govt.html

          [2] Vgl. https://www.tagesschau.de/ausland/indien-corona-107.html

          [3] Vgl. India Today, 4. April 2020

          [4] https://indianexpress.com/article/cities/hyderabad/rss-had-no-permission-to-help-at-check-posts-telangana-police-clarify-as-photos-go-viral-6358231/

          [5] Vgl. Jan Roos: Das schnelle Ende der Karriere. In : Die Zeit, Nr. 18, 23. April 2020, S. 9

          [6] Vgl. https://ncci1914.com/02-03-04-constituent-response/ und http://casa-india.org/covid-19-response/

          [7] Vgl.https://www.thehindu.com/news/national/christian-hospitals-offer-facilities-for-covid-19-care/article31177326.ece

          [8] Vgl. http://www.anglicannews.org/news/2020/04/an-easter-message-from-the-moderator-of-the-church-of-south-india.aspx

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