Evangelisches Dekanat Vogelsberg

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          „Europa verspielt seine Werte“

          „Europa verspielt seine Werte“

          Als „humanitäres Desaster“ bezeichnet Kirchenpräsident Dr. Volker Jung die Behinderung der Seenotrettung im Mittelmeer.

          Als „humanitäres Desaster“ bezeichnete Kirchenpräsident der EKHN Dr. Volker Jung im Rahmen seines Sommergesprächs mit zahlreichen Pressevertretern im August die europäische Flüchtlingspolitik.

          Ganz explizit nannte er die Blockaden von Schiffen der Seenotrettung „als tragisch und schlimm“. „Es sieht so aus, als ob Europa hier seine Werte verspielt“, so der Kirchenpräsident, der sich ob der Vorgänge in Europa sorgt, wie er zugab. Mit Blick auf die Äußerungen der CSU gab er zu bedenken, dass die hier propagierte Flüchtlingspolitik sich an der Zahl von Wählerstimmen und nicht an den Schicksalen der Menschen orientiere. Es gehe dabei viel um Stimmungen in einer „Erregungskultur“, um Kontrollverlust und Macht. Jung forderte, eine menschliche Gesinnung in den Vordergrund allen Handelns zu stellen und eine an den Menschen orientierte Politik zu machen. Die drastisch steigenden Zahlen ertrunkener Bootsflüchtlinge und die zunehmende Infragestellung von Werten wie Achtung der Menschenwürde, Freiheit, Demokratie, Gleichheit, Rechtsstaatlichkeit und Wahrung der Menschenwürde waren auch Thema, als Jung Ende August nach Italien reiste. Hier forderte er „sichere Wege und großzügige humanitäre Aufnahmeprogramme“. Solche und weitere Alternativen, wie Einwanderungsmöglichkeiten im Rahmen von Arbeit und Ausbildung, könnten Schleppern Einhalt gebieten und das Sterben im Mittelmeer deutlich reduzieren.
          Die Folgen der immer restriktiveren Flüchtlingspolitik beschäftigen insbesondere die Menschen vor Ort – auch im Vogelsberg. In der Flüchtlingsberatung des Ev. Dekanats in Alsfeld bekommt Christian Hendrichs sie jeden Tag zu spüren. Er sieht, dass heute – bei stark gesunkenen Flüchtlingszahlen – die Möglichkeiten der Abschiebung nicht nur verstärkt, sondern auch unrechtmäßig angewendet werden. „In dem vielzitierten Abschiebungsflieger zu Innenminister Seehofers Geburtstag saßen mehrere Asylbewerber, die noch im Verfahren waren und daher gar nicht hätten abgeschoben werden dürfen“; so der Experte, der auch eine Verschärfung des Tons im Umgang mit Geflüchteten wahrnimmt. „Uns sind Fälle bekannt, in denen die Ausländerbehörden Unternehmen davor warnen, Asylbewerber einzustellen“, berichtet er. Das Recht auf Ausbildungsduldung würde hier in Abrede gestellt. Gleichzeitig begrüßt Hendrichs die Initiative der Wirtschaft und aus Teilen der Politik, ausbildungswillige Flüchtlinge in Deutschland zu halten.
          Die Haltung Seehofers in der Flüchtlingspolitik stößt auch bei Hendrichs auf massive Kritik: „Die ganze Aktion im Sommer war total unnötig“, so die Einschätzung des langjährigen Vorsitzenden des Hessischen Flüchtlingsrats. „Durch sie wurde die Flüchtlingsproblematik viel höher gehängt, als sie eigentlich ist und auch als viele Menschen sie empfinden.“ Gleichzeitig diene dieses Thema offenbar gut dazu, von anderen wichtigen gesellschaftlichen Herausforderungen wie Bildung, Umwelt oder Armut abzulenken. Zu dem Zeitpunkt, als Seehofer die bayrischen Grenzen habe sichern wollen, sei die Anzahl der Menschen, die diese Grenze zur Flucht nutzten, wöchentlich im unteren zweistelligen Bereich gewesen, ergänzt Hendrichs.
          Die Blockade der Seenotrettung und das Kriminalisieren der Retter hält auch er für fatal, noch dazu für nicht zielführend, wenn das Ziel sei, dass weniger Menschen fliehen: „Diejenigen, die fliehen, haben nichts zu verlieren. Gar nichts. Sie haben alles erlebt und begeben sich aufs Meer, obwohl gerade für Afrikaner, die das Meer noch nicht gesehen haben und oft nicht mal schwimmen können, das Wasser an sich eine große Gefahr darstellt. Aber die Kriege in ihren Ländern, die menschenverachtenden Zustände in den Lagern, beispielsweise in Libyen – all das lässt ihnen keine Wahl.“ In seinen Beratungen sieht Hendrichs immer wieder Menschen, die von der Flucht gezeichnet sind. Wie der Kirchenpräsident auch plädiert er für Einwanderungskonzepte. „Man könnte Menschen in Lagern des UNHCR als Flüchtlinge registrieren und sie auf die Aufnahmeländer verteilen.“ Dieses als „Resettlement“ bezeichnete Vorgehen steht für die dauerhafte Aufnahme besonders schutzbedürftiger Flüchtlinge aus einem Land, in dem sie bereits als Geflüchtete leben, in einen Drittstaat, der sichere Einreise und Schutz gewährt. Eine humane Vorgehensweise, die Würde und Leben retten könnte, aber Einigkeit unter den Aufnahmeländern voraussetzt. Keinesfalls könne man die Grenzen durch Deals mit Diktatoren sichern oder illegale Lager tolerieren, so Hendrichs: „Wenn wir uns Lager wie in Jordanien ansehen, wo 45.000 Menschen ohne Perspektive, ohne Versorgung und ohne jeglichen Beachtung Europas vor sich hinvegetieren, dann sollten wir uns fragen: ‚Wollen wir das?‘“ Die Politik sei gefordert hinzusehen, europäische Werte wieder zu entdecken und die Situationen in den Ländern beispielsweise durch faire Handelsabkommen zu entschärfen.
          Aktuell dazu bietet das Ev. Dekanat Alsfeld gemeinsam mit der Ev. Kirchengemeinde und Flüchtlingsinitiative Nieder-Gemünden und mit Unterstützung durch das Bundesprojekt Demokratie Leben zwei Filmabende an. Gezeigt wird der in diesem Sommer viel beachtete und intensiv besprochene Film „IUVENTA. Seenotrettung - ein Akt der Menschlichkeit“. Für vertiefende Gespräche, persönliche Eindrücke und aktuelle Informationen konnten aktive Helferinnen und Helfer von „Jugend Rettet“ und einer anderen NGO aus dem Bereich der Seenotrettung gewonnen werden. Die öffentlichen Aufführungen finden statt am 12.9. um 20 Uhr im Dorfgemeinschaftshaus in Nieder-Gemünden und am 13.9. um 20 Uhr im Lauterbacher Lichtspielhaus statt. Der Eintritt ist frei, um Spenden wird gebeten.

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