Evangelisches Dekanat Vogelsberg

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          Evangelische Katharinengemeinde Gemünden verkauft Kirche in Otterbach

          … und sie läutet doch!

          Foto: T. Schlitt

          „Die Kirche im Dorf lassen!“ „Kirchturmdenken“, „Heimweh, wenn man den eigenen Kirchturm nicht mehr sieht“ – Redewendungen wie diese drücken aus, dass die Kirche, also das Gebäude und sein Standort, zentrales Element im Leben von Menschen ist, häufig sogar, wenn diese nicht sonderlich religiös sind. Identitätsstiftend, erinnerungsvoll, heimelig – all das ist die Kirche neben dem Ort der Gottesdienste, der Feierlichkeiten im Lauf eines Jahres und eines Lebens.

          „Die Kirche im Dorf lassen“ – ein Sprichwort, dessen zentrale Botschaft die Unverrückbarkeit derselben als fester Mittelpunkt in einem Ort ist. Nun wird im Evangelischen Dekanat Vogelsberg erstmals eine Kirche verkauft, die Kirche von Otterbach.

          Der Kirchenvorstand der Evangelischen Katharinengemeinde Gemünden hat eine traurige, eine unbeliebte Entscheidung getroffen. Eine Entscheidung jedoch, an der angesichts der demografischen und wirtschaftlichen Herausforderungen der Gegenwart und der Zukunft kein Weg vorbeiführte, wie Pfarrerin Ursula Kadelka nun bekanntgibt. „Der KV-Beschluss ist trotz aller emotionaler Last mutig, verantwortungsbewusst und zukunftsgewandt“, so Kadelka, die in ihrer Kirchengemeinde neben der Otterbacher Kirche noch fünf weitere Gotteshäuser zählt: in Nieder-Gemünden, Burg-Gemünden, Hainbach, Elpenrod und Bleidenrod stehen Kirchen, dazu kommen das Gemeindehaus in Nieder-Gemünden und ein angemietetes Gemeindehaus in Burg-Gemünden. Für dieses allerdings wurde der Mietvertrag bereits gekündigt, die Chorproben, die dort stattgefunden haben, werden – sobald sie wieder möglich sind – ins Gemeindehaus nach Nieder-Gemünden verlegt. „Als Kirchengemeinden müssen wir für alle Gebäude, die in unserem Besitz sind, Substanzerhaltungsrücklagen in den Haushalt einstellen, und dennoch würden uns mögliche Renovierungsmaßnahmen vor größte Probleme stellen – zumal bei dieser Anzahl an Gebäuden“, begründet Kadelka diesen Schritt.

          Dass es nun gerade die Otterbacher Kirche trifft, hat verschiedene Gründe: Als im Jahr 1834 umgebautes und umgewidmetes Schulhaus handelt es sich nicht um das klassische Kirchengebäude, das man vor Augen hat, auch wenn es mit seinem Turm und dem Standort mitten im Dorf durchaus eine gute Kirche abgibt. Mit gerade einmal 40 Gemeindegliedern in Otterbach kann auch quantitativ gut argumentiert werden und nicht zuletzt gibt es einen Käufer, der das Gebäude erwerben möchte. „Dabei war es uns natürlich ein Anliegen, dass das Gebäude einer vertretbaren Nutzung zugeführt wird und für die Otterbacher erhalten bleibt“, führt Kadelka aus: Es bleibt an seinem Ort und die Glocken werden weiterhin von dort aus über das Dorf schallen.

          „Natürlich sind wir alle traurig, dass wir uns nun tatsächlich von einer Kirche trennen“ - das spürt die Pfarrerin selbst und das weiß sie auch aus zahlreichen Gesprächen mit Gemeindegliedern. Und auch der Kirchenvorstand hat es sich mit der Entscheidung nicht leichtgemacht: „Es fiel uns allen schwer, aber wir müssen uns den Realitäten stellen.“ Und diese sind ein gravierender Umstrukturierungsprozess in der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN), der sich natürlich bis in die Kirchengemeinden niederschlägt: Sinkende Mitgliederzahlen, dazu starke Einbußen bei den Kirchensteuereinnahmen, befeuert durch die Corona-Pandemie, haben dazu geführt, dass die Landeskirche bis zum Jahr 2030 140 Millionen Euro einsparen muss. „Der Prozess hat nicht erst begonnen, wir sind schon mittendrin“, so die Pfarrerin, die darauf hinweist, dass die Kirchengemeinde in den letzten 14 Jahren bereits zwei halbe Pfarrstellen eingebüßt hat. Die Anzahl der Menschen hier hat sich in den letzten 25 Jahren halbiert, eine Entwicklung, von der erwartet wird, dass sie so weitergeht. Die Antwort auf diese Tatsachen ist: „Loslassen, um zukunftsfähig zu werden, um unsere Zukunft im wahrsten Sinne des Wortes nicht zu verbauen“, lautet das Credo der Pfarrerin, die selbst nicht daran glaubt, dass dieser Verkauf der letzte sein wird: „Im Rahmen des neuen Gebäudestrukturmanagements der EKHN kommen in den nächsten Jahren alle Gebäude auf den Prüfstand, Gemeinde- und Pfarrhäuser natürlich eher als Kirchen.“

          Dr. Dorette Seibert, Dekanin des Evangelischen Dekanats Vogelsberg, bezeichnet den Verkauf des Kirchengebäudes als mutig: „Wenn die Unterhaltung eines kirchlichen Gebäudes hauptsächlich eine finanzielle Last für eine Gemeinde bedeutet, dann ist es m.E. die richtige Frage, ob sich das Gemeindeleben vor Ort und gemeinsam mit der Nachbarschaft nicht lebendiger gestalten lässt - ohne dieses Gebäude und die Ressourcen, die es bindet. Diese Frage werden sich unsere kleiner werdenden Gemeinden alle stellen müssen. Dass die Katharinengemeinde offen und realistisch ihren Gebäudebestand unter die Lupe genommen hat und zu dem Ergebnis gekommen ist, sich von der Kirche in Otterbach zu trennen, finde ich mutig und am Ende auch gemeindedienlich. Schließlich soll es uns nicht vorrangig um ‚tote Steine‘ gehen, sondern um den lebendigen Bau, der Kirche eigentlich ist.“

          Doch nicht nur wirtschaftliche Gründe führten zu dem Verkauf der Kirche in Otterbach. Schon längst ist es einer einzigen Pfarrperson nicht mehr möglich, an einem Sonntag alle sechs Gottesdienstorte zu bespielen; die Frage ist auch, wie sinnvoll es ist, da die Gottesdienstbesuche mehr und mehr zurückgegangen sind. Kooperationen finden daher jetzt schon statt, und das nicht nur zum Nachteil der Menschen: „Wir stellen fest, dass Gottesdienste, die wir aufwendiger planen und mit mehr Menschen gemeinsam durchführen, ansprechender sind und die Menschen sehr gut erreichen. Und genau darum geht es doch.“ Nichtsdestotrotz werden auch in Otterbach zukünftig noch Gottesdienste stattfinden: im Dorfgemeinschaftshaus. Hier dürfte die Atmosphäre zwar deutlich anders sein als in dem kleinen Kirchlein, aber einen Gottesdienst machen ja auch die Menschen aus, die ihn gemeinsam feiern. „Und wenn man dann nicht mehr in dem zugigen alten Gebäude sitzt, eine Toilette in der Nähe hat und sogar eine kleine Küche, von wo aus man nach dem Gottesdienst auch mal einen Imbiss anbieten kann, dann ist das auch ein Gewinn“, finden Pfarrerin und Gemeinde schon jetzt. Trotz dieser Aussichten, die mit Kooperationen, schönen Gottesdiensten und einem moderneren Raum in Otterbach gar nichts so schlecht sind, steht nun erstmal die Trauer im Vordergrund. Und das darf sie auch. Schließlich wäre es schön, wenn die Kirche im Dorf bliebe. Dennoch gilt in Otterbach im Kleinen, was in der Kirche im Großen gilt, wie Pfarrerin Kadelka betont: „Wir haben keine heiligen Räume. Dazu werden Gebäude erst, wenn wir in ihnen Gottesdienst feiern.“

          Die Kirche in Otterbach wird zum 1.7. dieses Jahres umgewidmet. In einem Abschiedsgottesdienst am 23. Mai um 14 Uhr können die Gemeindeglieder zuvor noch einmal gemeinsam feiern.

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