Paritätischer, Evangelisches Dekanat und Vogelsbergkreis informierten über alternative Wohnmöglichkeiten im Alter
Selbstbestimmt im Alter: WG statt Heim
22.03.2024 ts Artikel: Download PDF Drucken Teilen Feedback
Die Frage nach selbstbestimmtem Leben im Alter treibt eine ganze Generation um: In diesem Jahr werden in Deutschland so viele Menschen sechzig Jahre alt wie noch nie zuvor. Und sie wollen für ihren nächsten oder übernächsten Lebensabschnitt vorsorgen: Selbstbestimmt bleiben, eine Betreuung und Pflege jenseits eines Heims. Dies waren auch die Ergebnisse einer Umfrage in der Region, die die Innovative Erwachsenenarbeit 55+ des Evangelischen Dekanats Vogelsberg im vergangenen Jahr initiiert hatte.
Nun widmete sich eine ganze Veranstaltung der Frage „Gemeinschaftliches Wohnen – eine Alternative für mich?“: Gemeinsam mit dem Paritätischen Osthessen und dem Vogelsbergkreis hatte das Dekanat eine Veranstaltung in der Aula der Sparkasse in Lauterbach organisiert, auf der sich auch bereits bestehende alternative Wohnformen präsentierten. Über hundert Interessierte fanden am vergangenen Donnerstag den Weg dorthin. Sie nutzten schon vor dem offiziellen Programm die Möglichkeit, sich zu informieren und ins Gespräch zu kommen.
Die Organisatoren freute es: Holger Schäddel (Evangelisches Dekanat), Karola Günther (Paritätischer Osthessen) und Angelika Boese (Vogelsbergkreis) sowie die ehrenamtlichen Mitorganisatoren Siggi Platschka und Horst Schmidt schilderten den Gästen zunächst, wie es zu der Idee kam. Nicht nur für Menschen im Rentenalter sei passender Wohnraum ein Riesenthema. Karola Günther erläuterte, dass paritätischen Mitgliedsorganisationen wie Kompass Leben e.V. und das Haus am Kirschberg im Vogelsbergkreis äußerst besorgt darüber sind, wie gering das Angebot für Menschen mit niedrigem Einkommen und mit besonderem Wohnbedarf sei. Auf Barrierefreiheit angewiesene Personen würden kaum fündig. „Es fehlt aber auch an Wohnraum für Mitarbeitende, für Fachkräfte, die dringend gebraucht werden. Es gibt im Vogelsberg kaum Ein- oder Zweiraumwohnungen für Singles und Paare“, mahnte Karola Günther. Der Bedarf an seniorengerechtem Wohnen und kleinen Wohnungen passe nicht zum Angebot.
Im Februar habe der Paritätische in der Region daher bereits zum zweiten Mal zum Runden Tisch Wohnen im Vogelsberg eingeladen und Lösungsvorschläge diskutiert.
Das Problem sei von der Politik erkannt worden, betonte Angelika Boese. Aus diesem Grund hatte Dr. Jens Mischak, designierter Landrat des Vogelsbergkreises, die Schirmherrschaft für die Veranstaltung übernommen. In seinem Grußwort skizzierte er die vielen Facetten, die gerade die Frage nach anderem, nach gemeinschaftlichem Wohnen im Alter bedeute: Große, heute leerstehende Familienhäuser könnten, wenn es alternative Wohnformen für die ältere Generation gäbe, wieder von jungen Familien genutzt werden. Leerstand in den verschiedensten Orten könne für Wohnprojekte reaktiviert werden: Eine gute Lösung auch mit Blick auf die Ressourcenknappheit, fand der Redner, der sich bei dem Dekanat und dem Paritätischen für die Initiative bedankte. Er versprach den Anwesenden, dass das Sachgebiet Dorf- und Regionalentwicklung dieses Thema weiterentwickeln werde.
Bevor mit Birgit Kasper und Afra Höck zwei Expertinnen der Landesberatungsstelle gemeinschaftliches Wohnen über bereits bestehende Wohnprojekte sowie Chancen und Herausforderungen informierte, stellte Holger Schäddel die Projekte vor, die sich auf dem Markt der Möglichkeiten präsentierten: Das inklusive Wohnprojekt „Leben am Weinberg e.V.“, vertreten durch Heike Haas, die Senioren-WG „Vulkan-Villa“, vertreten durch Ursula Helm, und das Wohnprojekt „Alte Kelterei“, vertreten durch Liane Kohn. Im Publikum befanden sich außerdem Mitglieder des in Planung befindlichen Projektes Lenze-Hof. Damit deckten die Akteure nicht nur verschiedene Regionen im Vogelsberg ab, sondern auch unterschiedliche Aspekte.
Interessant und vielschichtig war der Input der Expertinnen. Über sich verändernde Wohn-Biografien, Einsamkeit im Alter, Nachbarschaftshilfe sowie Pflege- und Betreuungsbedarf kamen sie zu verschiedenen Wohnprojekten, die sie vorstellten. Sie gingen sowohl auf rechtliche Möglichkeiten des gemeinschaftlichen Wohnens ein als auch auf verschiedenen Ausgestaltungen. „Die Welt der Wohnprojekte ist sehr bunt“, sagten die beiden. Sie erklärten, was Erfolgsfaktoren für alternative Wohnformen im Alter sein können und welche Fallstricke es gibt. Vom Wohnprojekt mit Einzeleigentum bis hin zu Mietwohnprojekten stellten sie verschiedene Möglichkeiten vor, auch solidarische Projekte kamen zur Sprache.
Im Anschluss an die Präsentation gab es die Möglichkeit für konkrete Nachfragen, bevor im Abschlussplenum die regionalen Akteure ihre Einrichtungen vorstellten. So verschieden diese auch sind, gab es doch gemeinsame Erkenntnisse: Ein Wohnprojekt muss wachsen. Es benötigt Mut und Ausdauer. Und: Man sollte früh genug anfangen, sich Gedanken zu machen und gemeinsam mit anderen in die Umsetzung kommen. Sicherlich noch lange Wege für die eine oder den anderen. Dennoch waren sich am Ende alle einig: „Es ist hier was in Gang gekommen.“
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