Nach 15 Monaten verlässt Aiswarya Pramod, weltwärts-Kraft des Ev. Dekanats, den Vogelsberg
„Abenteuer Deutschland“ (vorerst?) vorbei
03.02.2023 plu Artikel: Download PDF Drucken Teilen Feedback
Text von Amelie Weiß (Schülerpraktikantin in der Abteilung Öffentlichkeitsarbeit des Evangelischen Dekanats Vogelsberg)
Durch das „Youth Department“ der Partnerkirche in Kerala bekam die 26-Jährige die Möglichkeit, ein Auslandsjahr in Deutschland zu machen. Sie selbst habe nie an einen Aufenthalt in Europa oder im generellen Ausland gedacht, sagt sie, doch als sie das Angebot bekam, nahm sie es glücklich an und landete am 23. November 2021 am Frankfurter Flughafen.
Während ihres, sogar von ihr verlängerten, Aufenthalts lebte sie bei drei verschiedenen Familien und machte dort viele tolle Bekanntschaften. Angekommen in der neuen Umgebung, begrüßte sie zuerst Stefanie Simon, bei der sie für drei Monate in Homberg (Ohm) lebte. Sowohl bei ihrer zweiten Gastmutter, Cordula Otto, als auch bei ihrer letzten Gastfamilie, Horst und Astrid Schramm, habe sie das „richtige deutsche Familienleben mit Geburtstagen, Hochzeiten und anderen Feiern“ kennengelernt, wofür sie „sehr dankbar“ sei. Doch auch beim Deutschlernen hätte sie sehr viel Unterstützung erhalten, berichtet sie. Vor allem durch die Hilfe des Schwagers ihrer zweiten Gastmutter aber habe sie die Stufe B1 beim Deutschsprechen erreicht.
Natürlich durfte auch das deutsche Essen nicht fehlen, besonders möge sie Schnitzel und Rehfleisch, aber auch Brokkoli, erzählt Aiswarya im Gespräch. In Indien äße man eher Fisch, der hier aber im Vergleich sehr teuer sei. Neben dem Essen habe ihr mit Abstand der Schnee an Weihnachten 2021 am besten gefallen. „Am Tag vor Weihnachten war noch alles normal. Aber als ich am nächsten Tag mein Fenster geöffnet habe, war alles weiß“, beschreibt Aiswarya, die in Südindien, einer zu warmen Region für Schnee, aufgewachsen ist. „Es war wie im Himmel für mich“.
Nach nun über einem Jahr hier im Vogelsbergkreis, freue sie sich „aber natürlich auch auf ihre Rückkehr“: Auf ihre Eltern und ihre zwei kleineren Brüder, das scharfe Essen, ihre Freunde und die Kirche in ihrer Heimat. Aber auch Schwierigkeiten werden nach ihrem Rückflug auf sie zukommen, nachdem sie wieder ihr Heimatland betritt. So habe sie beispielsweise noch keinen Job dort und müsse außerdem erst einmal herausfinden, „für welche neue Berufsrichtung sie sich nun interessiere“. Vor ihrer Zeit in Deutschland arbeitete Aiswarya in einer Holzfabrik, wohin sie gegebenenfalls auch zurückkehren würde, wie sie sagt.
In Deutschland hat sie in Zusammenarbeit mit dem Dekanat einiges erlebt und mit den verschiedensten Menschen zusammengearbeitet, „wofür sie sehr dankbar sei“. Immer wieder betont sie im Gespräch, „wie freundlich und hilfsbereit sich alle gegenüber ihr gezeigt haben“. Sie arbeitete unter anderem beim Jugendkirchentag, den Gemeinschaftsgärten des Dekanats, mit ihren Gastfamilien und verschiedenen Freizeiten mit. Letztes Jahr zum Beispiel organisierten ihre Gasteltern, Mike und Cordula Otto, eine Fahrt nach Taizé in Frankreich, was laut Aiswarya eine „gute Möglichkeit“ gewesen sei, „sich selbst zu finden und zur Ruhe zu kommen“.
Allerdings habe sie sich auf dieser Fahrt auch mit dem Covid-19 Virus infiziert, was „den Gesamteindruck der Fahrt und überwiegend der Zeit nach der Fahrt ein wenig trübte“, sagt Aiswarya. Zusätzlich verwaltete sie den Facebook-Account des „Kerala-Oberhessen-Partnership“, hat Ukrainischen Flüchtlingen und bei der Tafel geholfen und Präsentationen über ihre Kultur und die Kirche ihrer Heimat in Kerala gehalten. Auch mit einer Schule in Hammersbach habe sie zusammengearbeitet, berichtet sie, wobei sie „sehr überrascht“ war, wie offen die Kinder gegenüber ihr gewesen seien. Im Vergleich zu den Schulen in ihrer Heimat sei ihr vor allem aufgefallen, dass die Schüler keine Schuluniformen hätten tragen müssen und dass diese intensiv mit Computern und anderer Technik hätten arbeiten können. „In Indien hat jede Schule Schuluniformen für ihre Schüler, damit auch Kinder aus ärmeren Familien immer etwas zum Anziehen haben“, offenbart die Inderin.
Sie selbst habe die Arbeit mit jeder Gruppe der Gesellschaft genossen, auch wenn es „sicherlich manchmal etwas stressig war“, wie sie berichtet, denn immerhin besuchte Aiswarya nebenbei noch einen Deutschkurs, in dem sie ebenfalls viele neue Menschen mit den verschiedensten kulturellen Hintergründen kennenlernen konnte. Das Aufeinandertreffen von Menschen aus vielen verschiedenen Ländern und dementsprechend auch vielen verschiedenen Kulturen, war für sie ebenfalls etwas, „was sie sehr an Europa überrascht hat, sie allerdings sehr mag“, erzählt sie. Beruflich gesehen hat sie sich also sichtlich umorientiert. In ihren letzten zwei Wochen macht sie des Weiteren noch ein Praktikum im Eichhof Krankenhaus in Lauterbach als Krankenschwester.
In Zukunft würde sie gerne wieder nach Deutschland kommen und eine Ausbildung zur Krankenschwester machen, „was auch ihre Eltern glücklicherweise unterstützen“, wie sie sagt. „Es ist meine Entscheidung, wo ich leben möchte“, sagt die junge Frau. Aber nicht nur die Arbeit zieht Aiswarya wieder zurück nach Deutschland, genauer gesagt zurück in den Vogelsbergkreis. Die Freiheit, „auch als Frau tun zu können, was man will und sich anziehen zu können, wie man es für richtig hält“, sei ihr ebenfalls sehr wichtig geworden, betont sie. „Frauen und Männer sind hier gleich“, erzählt sie von ihren Erfahrungen. Zusätzlich seien die Straßen nach ihrer Auffassung sauberer und die Menschen würden mehr auf Ordnung und Organisation achten. Vor allem letzteres sei „neu und unbekannt“ für sie gewesen.
Aiswarya berichtet, dass sie gelernt habe, einen Kalender zu führen und ihre Termine zu organisieren und darüber hinaus „immer pünktlich zu Terminen zu erscheinen“. „Ich habe mich immer gefühlt, als würde ich etwas Besonderes tun, wenn ich pünktlich zu meinen Terminen erschienen bin“, meint sie lächelnd. Mittlerweile habe sie die sogenannte „deutsche Pünktlichkeit“ bereits selbst angenommen. In Indien hingegen seien die Menschen etwas „entspannter, wenn es um solche Dinge gehe“. Das Planen habe aber ihrer Meinung nach nur Vorteile: „Gute Pläne bringen gute Ergebnisse“, so die Inderin.
Außer der neu errungenen Pünktlichkeit und Organisationsgabe habe das Auslandsjahr ihr auch viel Selbstvertrauen und Unabhängigkeit gelehrt: „Ich hatte vorher immer Angst, irgendwo alleine hinzugehen, aber jetzt kann ich überall alleine hin“. Mit diesem gewonnenen Selbstvertrauen im Gepäck möchte sie zukünftig auch andere Länder bereisen, was ihr „sehr viel Spaß“ macht: „Ich mag das Gefühl, wenn ich in ein anderes Land komme“, sagt Aiswarya. Während ihrer Zeit in Deutschland fing sie bereits an, diese Reisefreudigkeit auszuleben. Sie besuchte beispielsweise Paris und die Schweiz und erkundete außerdem verschiedene Großstädte in Deutschland, wie Berlin, München oder Frankfurt. Alsfeld habe ihr im Vergleich allerdings trotzdem besser gefallen, sagt sie. „Kein kleines Dorf, aber auch keine Großstadt“, das möge sie am liebsten. Zusätzlich habe Aiswarya in Deutschland gelernt, „besser mit schwierigen Situationen und Problemen umzugehen“.
Was für sie bereits jetzt, vor ihrem Rückflug in ihre Heimat, klar ist: Sie will auf jeden Fall zurückkommen und wird ein solches Auslandsjahr jedem weiterempfehlen. „Ich würde jedem raten, mal ins Ausland zu gehen, so kann man wichtige Erfahrungen machen, neue Kulturen und Menschen kennenlernen und neue Orte besuchen“, sagt Aiswarya, die nun immerhin so etwas wie eine „Expertin in Sachen Auslandsjahr“ ist. Sie habe jeden Tag Bilder in ihren WhatsApp-Status gestellt und stolz von den Dingen, die sie gemacht hat, berichtet, wenn sie mit ihren Freunden per Videochat verbunden war. Doch zu aller erst fliegt sie jetzt zurück nach Indien und freut sich sehr, alle ihre Liebsten wiederzusehen.
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